Wirth_Emma-header-2000x400-15-web.jpg

Als Werbegrafikerin schuf die Künstlerin unter anderem das bekannte Pfanni-Mädchen. Neben ihrer Tätigkeit in der Werbung illustrierte sie aber auch Kinderbücher und Märchen. All diese Zeichnungen schlummerten jahrzehntelang vergessen auf dem Dachboden, bis sich ihr Neffe daran erinnerte und sie der JES Kulturstiftung zur Verfügung stellte.

Wirth_Emma-Portraet-web.jpg

<h5>Von der Skizze zur Werbegrafik</h5><p>Eines Tages kommt Otto Eckart, der ehemalige Chef des bekannten Pfanni-Werkes, zu ihm, um sich nach guten Fotoapparaten zu erkundigen. Eckart ist nun in Pension und will sich verstärkt seinem Hobby, der Fotografie, widmen. Christian Wirths Bekanntschaft mit Otto Eckart wirkt sich auch auf das berufliche Leben seiner Schwester Emma aus, denn sie erhält durch seine Vermittlung nun Aufträge als Werbegrafikerin der Pfanni-Werke.</p><figure class="image"><img src="/uploads/G6a_Wirth_Emma_Pfanni_Maedchen_Bleistiftskizze_19x22cm_Privatbesitz_JES_Kulturstiftung_web_369e3ca2f5.jpg"><figcaption>Emma Wirth, Entwurf für Pfanni-Mädchen, o. J., Bleistiftskizze, 19 x 22 cm, Privatbesitz, © JES Kulturstiftung</figcaption></figure><figure class="image"><img src="/uploads/G6b_Wirth_Emma_Pfanni_Maedchen_sw_Foto_10x14_5cm_Privatbesitz_JES_Kulturstiftung_web_c2dd557e77.jpg"><figcaption>Emma Wirth, Pfanni-Mädchen, o. J., sw-Foto, 10 x 14,5 cm, Privatbesitz, © JES Kulturstiftung</figcaption></figure><p>&nbsp;</p><h5>Von Konserven zu getrockneten Kartoffeln</h5><p>Das Mitte des 19. Jahrhunderts von dem aus Mittelfranken stammenden Johannes Eckart gegründete Unternehmen stellte anfangs in München Konserven und Fruchtsäfte her. Es war in Süddeutschland das erste Unternehmen, das sich der kommerziellen Konservierung von Lebensmitteln widmete. Nach dem Zweiten Weltkrieg erschloss sich die Firma ein neues Marktsegment. Mit den ersten Produkten aus einer dehydrierten Kartoffelmasse, bestehend aus Kartoffelmehl und Stärke, wurde 1949 die Marke „Pfanni“ geboren und der Siegeszug des aufstrebenden Unternehmens begann. Sehr früh setzte Pfanni zur Umsatzsteigerung auf Werbung in Wort und Bild.</p><p>Das Werk produzierte und vertrieb im Laufe der Zeit nicht nur Knödel, sondern auch andere Kartoffelprodukte wie Rösti oder Kroketten und nahm in späteren Jahren sogar Nudeln und Gnocchi in sein Sortiment auf. Der Konkurrenz der großen Unternehmen war Pfanni aber auf Dauer nicht gewachsen und so wurde die Firma 1993 an Knorr-Maizena verkauft.</p><h5>Im Dienste der Knödel</h5><p>Emma Wirth arbeitet wohl als freie Mitarbeiterin in der Werbeabteilung des Unternehmens.&nbsp;</p><p>Sie kreiert das Pfanni-Mädchen, das auf dunkelgrünem Hintergrund für Kartoffelpuffer wirbt, die mit weißer Druckschrift als „Pfanni Reibekuchen“ angepriesen werden. Um besondere Aufmerksamkeit zu erregen, setzt die Künstlerin auf Komplementärfarben. So sitzt das braunbezopfte Mädchen im knallroten Kleid mit blütenweißem Kragen am mit weißem Tuch bedeckten Tisch und schwenkt die Pfanne, in der zwei Reibekuchen noch frisch vom Herd vor sich hin brutzeln. Mit der linken, offenen Hand streicht sich das Mädchen genüsslich voller Vorfreude und mit lachendem Gesicht über den wohl hungrigen Magen.</p><figure class="image"><img src="/uploads/G6c_Wirth_Emma_Pfanni_Maedchen_Druck_21x30cm_Privatbesitz_JES_Kulturstiftung_web_3c3eae8134.jpg"><figcaption>Emma Wirth, Pfanni-Mädchen vor grünem Hintergrund, o. J., Druck, 21 x 30 cm, Privatbesitz, © JES Kulturstiftung</figcaption></figure><p>In ähnlicher Ausführung stellt sich das Pfanni-Buberl dar, das begeistert vor einem dampfenden Knödel sitzt. Ob auch der Bub von Emma Wirth stammt, konnte bisher nicht geklärt werden. Die große Ähnlichkeit in der Gestaltung aber legt diese Vermutung nahe. Beide Pfanni-Kinder sind äußerst beliebte Motive, deren Strahlkraft auf Plakaten und in Zeitungen die Marke allgegenwärtig macht.</p><figure class="image"><img src="/uploads/G6d_Wirth_Emma_Pfanni_Bub_Druck_15x21cm_Privatbesitz_JES_Kulturstiftung_web_24964e54c9.jpg"><figcaption>Emma Wirth, Pfanni-Bub, o. J., Druck, 15 x 21 cm, Privatbesitz, © JES Kulturstiftung</figcaption></figure><h5>Hausfrauenglück</h5><p>Die eigentliche Adressatin des schnellen Kartoffelglücks ist aber die Hausfrau.&nbsp;</p><p>Auf dem Werbeplakat „Gestern – Heute“ ist die Rollenzuschreibung der 1950er und 1960er Jahre eindeutig: Für das Kochen ist die Hausfrau zuständig. Zwar liegt uns dieses Bild nur als Schwarz-Weiß-Fotografie vor, es transportiert die Botschaft dennoch in aller Deutlichkeit.</p><figure class="image"><img src="/uploads/G6e_Wirth_Emma_Pfanni_Gestern_Heute_sw_Foto_18x24cm_Privatbesitz_JES_Kulturstiftung_web_54ea102c7c.jpg"><figcaption>Emma Wirth, Pfanni: Gestern - Heute, o. J., sw-Foto, 18 x 24 cm, Privatbesitz, © JES Kulturstiftung</figcaption></figure><p>Ein nur rudimentär angedeutetes Haus mit Dach und einer Wand in der Mitte weist auf zwei Wohnungen hin. Auf dem Dach qualmt aus zwei Schornsteinen jeweils Rauch, der in lateinischer Schreibschrift auf der linken Seite das Wort „Gestern“ und auf der rechten ein „Heute“ formuliert. Damit ist die Situation geklärt.&nbsp;</p><p>Ohne überhaupt das darunter stehende Gedicht gelesen zu haben, wissen die Betrachtenden, wo das Altmodische und wo das Zeitgemäße beheimatet ist. Und tatsächlich erscheint die Dame auf der linken Seite altbacken mit ihrer geknoteten Frisur, dem blassen Gesicht und der weißen Schürze, während die junge Frau auf der anderen Seite der Wand mit frechem Pferdeschwanz und keckem, getupftem Kleidchen wie ein Mädchen wirkt. Die ältere Dame reibt die Kartoffeln in herkömmlicher Manier auf dem Reibeisen und verletzt sich dabei, was am linken Daumen einen Blutstropfen und im rechten Auge eine Träne produziert. Die moderne Dame mit frischen roten Wangen nebenan dagegen gießt mal schnell eine Packung Pfanni in die Schüssel, wozu nur die rechte Hand vonnöten ist.&nbsp;</p><p>Ein Tropfen Wasser aus dem Hahn deutet an, dass außer der Pfannipackung lediglich ein wenig Wasser zur Zubereitung der Knödel gebraucht wird. Die Grafikerin arbeitet mit klaren Gegensätzen: auf der einen Seite die mit beiden Händen arbeitende, sich verletzende und weinende ältere Hausfrau, auf der anderen Seite die scheinbar mühelos kochende, junge und kesse Mädchenfrau. Das unter der bildlichen Darstellung angebrachte Gedicht mit zwei Paarreimen in weißer Schrift unterstreicht die gewünschte Botschaft.</p><p>Das Plakat strahlt in seiner simplen Klarheit Spontanität und Leichtigkeit aus.&nbsp;</p><p>Dass der Entstehungsprozess mit harter Arbeit verbunden ist, sieht man der Grafik nicht an. Emma Wirths Skizzen jedoch offenbaren dieses Ringen um Worte und Reime. Offensichtlich stellt sie das Gedicht mehrmals um und auch mit dem Gesichtsausdruck der älteren Hausfrau experimentiert sie. Während sich die Frau auf der Skizze mit geschlossenen Augen ihrem Schmerz hingibt, zeigt sie sich in der Endfassung eher entsetzt über ihr Malheur. Der jungen Frau dagegen verpasst die Künstlerin in der Endfassung eine völlig andere Identität.</p><figure class="image"><img src="/uploads/G6f_Wirth_Emma_Pfanni_Text_reibungslos_Skizzenblatt_Detail_24_5x36cm_Privatbesitz_JES_Kulturstiftung_web_cb0d019584.jpg"><figcaption>Emma Wirth, Gedichtentwurf für Pfanni: Gestern - Heute, o. J., Bleistift, Skizzenblatt, Detail, 24,5 x 36 cm, Privatbesitz, © JES Kulturstiftung</figcaption></figure><figure class="image"><img src="/uploads/G6g_Wirth_Emma_Pfanni_einst_jetzt_Skizzenblatt_22x24cm_Privatbesitz_JES_Kulturstiftung_web_7bd66b58be.jpg"><figcaption>Emma Wirth, Skizzenblatt für Pfanni: Einst - Jetzt, o. J., Bleistift, 22 x 24 cm, Privatbesitz, © JES Kulturstiftung</figcaption></figure><h5><br>Der Rat des Mannes</h5><p>Ein weiteres Schwarz-Weiß-Plakat demonstriert nicht nur das Rollenklischee um die Mitte des 20. Jahrhunderts, es unterstreicht auch die Seriosität des Unternehmens.</p><p>Gut die Hälfte des Bildes nimmt die bildliche Darstellung ein.&nbsp;</p><figure class="image"><img src="/uploads/Emma_Wirth_Pfanni_Pfannivertreter_Foto_priv_web_2b3912ed37.jpg"><figcaption>Emma Wirth, Pfanni "Gut gewählt", o. J., sw-Foto, 18 x 24 cm, Privatbesitz, © JES Kulturstiftung</figcaption></figure><p>In einem unregelmäßig abgerundeten Viereck steht auf der linken Seite ein Mann in mittleren Jahren, erkennbar an seinem spärlichen Haarwuchs. Seine gestreifte Hose und sein weißer Mantel, der nicht zufällig an einen Arzt- oder Apothekerkittel erinnert, sowie die Fliege, weisen auf seine unbestrittene Autorität hin. Er überreicht der ihm gegenüberstehenden Dame eine Packung Pfanni-Knödel mit den unter dem Bild stehenden Worten: <i>„Gut gewählt, meine Dame, Pfanni ist jahrelang erprobt und hat sich glänzend bewährt.“&nbsp;</i></p><p>Mit Begeisterung und offenen Armen und Händen nimmt die adrette blonde Dame im dunklen Kleid die Packung entgegen. Pfanni empfiehlt sich hier mit der Erfahrung, die das Werk mittlerweile vorweisen kann, symbolisiert durch den seriös wirkenden Mann.</p><p>Welche Gedanken und Versuche diesem Plakat vorangingen, zeigen einige Skizzen, die zwar unterschiedliche Szenerien und das Experimentieren mit verschiedenen Handstellungen zeigen, in ihrer Kernaussage aber immer konstant bleiben.</p><figure class="image"><img src="/uploads/G6i_Wirth_Emma_Pfanni_aus_frischen_Kartoffeln_Bleistiftskizze_28x18cm_Privatbesitz_JES_Kulturstiftung_web_8b3624c916.jpg"><figcaption>Emma Wirth, Entwurf für Pfanni “Gut gewählt”, o. J., Bleistiftskizze, 28 x 18 cm, Privatbesitz, © JES Kulturstiftung</figcaption></figure><h5><br>Knödel für die Schlange</h5><p>Auch ein exotisch anmutendes Plakat, ebenfalls nur in Schwarz-Weiß vorhanden, findet man im Fundus. Eine schwarze junge Frau wird in einer heute zweifellos rassistisch empfundenen Art dargestellt, welche aber wohl der Vorstellung und Denkweise der 1950er und 1960er Jahre entsprach.</p><p>Die junge Farbige entspricht vermutlich dem damaligen Idealbild einer Afrikanerin.&nbsp;</p><figure class="image"><img src="/uploads/G6j_Wirth_Emma_Pfanni_Afrikanerin_sw_Foto_18x24cm_Privatbesitz_JES_Kulturstiftung_web_254b6b81e2.jpg"><figcaption>Emma Wirth, Schlange, Afrikanerin, o. J., Detail, Tusche, Bleistift, Gouache, 42 x 30 cm, Privatbesitz, © JES Kulturstiftung</figcaption></figure><p>Man sieht nur ihren nackten Oberkörper, dessen einzige Bekleidung aus einer Serie von Halsringen besteht, die bis zum Kinn hinaufreichen. Auch das linke Handgelenk zieren große Armreifen. Ihr Haar ist mit einem Band zu einem Dutt gebunden. Außerdem trägt sie einen relativ großen Nasenring. In den Händen hält sie, so gar nicht zum Grundmotiv des Bildes passend, eine Schüssel mit Pfanni-Knödeln. Von einem angedeuteten Baumast schlängelt sich eine Riesenschlange herunter auf die Frau zu, die voller Entsetzen und mit offenem Mund, der von wulstigen Lippen beherrscht wird, auf das gefährliche Tier hin starrt. Das Ziel der freundlich blickenden Schlange ist aber keineswegs das Mädchen, sondern die Pfanni-Knödel, von denen sie bereits sichtbar zwei verspeist hat.&nbsp;</p><p>Der Ausspruch unter dem Bild <i>„Keine Angst Pfanni zieht auch sie vor.“</i> verstärkt die Aussage noch zusätzlich. Das Unternehmen will mit diesem Plakat wohl auf seine zunehmende internationale Expansion hinweisen.</p><figure class="image"><img src="/uploads/G6k_Wirth_Emma_Schwarze_Schlange_Tusche_Bleistift_Guache_Skizzenblatt_Detail_42x30cm_Privatbesitz_JES_Kulturstiftung_web_92dc446f98.jpg"><figcaption>Emma Wirth, Skizzenblatt Schlange, Afrikanerin, o. J., Detail, Bleistift, Tusche, Gouache, 42 x 30 cm, Privatbesitz, © JES Kulturstiftung</figcaption></figure><p>&nbsp;</p>

Der agile und vielbeschäftigte Fotograf Christian Wirth, Emmas Bruder, kennt, bedingt durch seine berufliche Tätigkeit, in und um München viele bedeutende Persönlichkeiten. 


large_G6c-Wirth_Emma-Pfanni_Mädchen-Druck-21x30cm-Privatbesitz-JES-Kulturstiftung-web.jpg

Von Pfanni-Mädchen und glücklichen Hausfrauen

Künstler

Emma Wirth

Teilen

Ihr Hinweis ist wertvoll