Der Maler Franz Wilhelm Voigt  war ein engagiertes Mitglied der Künstlergruppe „Scholle“.  
Er war als Illustrator für die Zeitschrift „Jugend“ tätig und beteiligte sich bis Mitte der 1920er Jahre an zahlreichen Ausstellungen. Der unermüdlichen Recherche seines Großneffen und dessen Ehefrau ist es zu verdanken, dass der Maler dem Vergessen entrissen wurde. Etwa 160 Gemälde sind mittlerweile bekannt. Sie bilden vermutlich nur einen Teil des Gesamtwerks. 

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Der Stil des im Vergleich zu anderen Gemälden von Franz Wilhelm Voigt auffallend dunklen und tonigen Gemäldes weist in das Frühwerk des Malers.&nbsp;Auch wenn es nicht eigenhändig datiert ist, lässt sich das Gemälde in die Zeit des Studiums bei Prof. Paul Hoecker, also um 1895, einordnen. Hoecker unterrichtete erstmals an der Münchner Kunstakademie Freilichtmalerei und zog mit seinen Studierenden hierzu in die Natur. Ein Foto aus dem Nachlass des Malers Adolf Münzer zeigt nicht nur die „Scholle”-Maler beim Plein Air Malen in Holzhausen am Ammersee, sondern auch den Burschen, der das Modell für das Gemälde war.<figure class="image"><img src="https://adm.kuk.art/uploads/Malklasse_Paul_Hoecker_1895_Privatsammlung_0ee000f811.jpg"><figcaption>Malklasse en plein air bei Professor Paul Hoecker, 1895, Fotograf unbekannt, Privatsammlung</figcaption></figure>Der Junge liegt auf dem Waldboden, sein Unterkörper ist mit einem weißen Tuch bedeckt. Deutlich sind auf dem Foto, das auf 1893-1895 datiert wird, auch die Flecken des durch die Bäume fallenden Lichts zu sehen. In der oberen rechten Ecke schimmert es blau durch die Bäume, es könnte der Ammersee sein.Für die Freilichtmalerei ist das Spiel mit Lichtflecken, z.B. im Dämmerlicht des Waldes, oder mit farbigen Lichtreflexen auf weißem Tuch, typisch.&nbsp;Zwei Jünglinge, die annähernd den gesamten Bildraum einnehmen, lagern auf einer schattigen Waldlichtung, am Fuße eines mächtigen Baumes. Der eine im Vordergrund, von der Taille abwärts mit einem weißen Tuch bekleidet, schläft.&nbsp;Voigt verwendet hier den seit der Antike tradierten Schlafgestus mit dem angewinkelten Arm und der in die Hand geschmiegten Wange. &nbsp;Der zweite, möglicherweise etwas ältere Knabe, sitzt direkt hinter ihm, als wache er über den Schlafenden. Er hat das Kinn nachdenklich aufgestützt. Auch hier verwendet Voigt eine in der abendländischen Malerei und Literatur gebräuchliche Geste, die in der Literatur bis auf Heinrich von der Vogelweide zurückgeht (siehe Fußnote) und in der bildenden Kunst spätestens seit Rodins „Denker“ die Nachdenklichkeit oder die Fähigkeit des Menschen zur Reflexion verkörpert.&nbsp;Diese zweite Bildfigur trägt einen dunklen Mantel oder Überwurf, darunter ist der nackte Oberkörper sichtbar. Der Kopf mit dem dunkel gelockten kurzen Haar scheint von einem Lichtschein oder Nimbus umgeben. Im Vordergrund liegen, vom Bildrand angeschnitten, eine Kalebasse und ein Wanderstab. Diese beiden Requisiten oder Gegenstände wirken etwas unmotiviert und fremd.In der Literatur wird das Gemälde Voigts einerseits in Verbindung mit biblischen Motiven gebracht, andererseits mit dem Skandal um das Bildnis eines Jünglings von Paul Hoecker.&nbsp;Die Kunsthistorikerin Dr. Eva-Andrea Wendebourg argumentiert, das Gemälde könne das unter dem Titel „Der junge Tobias“ bei der Großen Berliner Kunstausstellung 1899 gezeigte Bild sein. Im Katalog ist es unter der laufenden Nummer 1203 verzeichnet. Sie betont die Dreieckskomposition, die die Figuren verbindet. Als Indiz für das biblische Thema, die Reise des Tobias begleitet vom Erzengel Raphael, werden die Attribute des Wanderstabs und der Kalebasse angeführt (Wendebourg, S. 38, 39, 90).&nbsp;Betrachtet man die Werke der „Scholle”-Maler, so kommen insgesamt biblische und besonders alttestamentarische Motive so gut wie nie vor.&nbsp;<figure class="image"><img src="https://adm.kuk.art/uploads/Pause_Malklasse_Professor_Paul_Hoecker_1895_Fotograf_unbekannt_Privatsammlung_cc5683659a.jpg"><figcaption>Malklasse Professor Paul Hoecker en plein air, Pause, 1895, Fotograf unbekannt, Privatsammlung</figcaption></figure>Im Werk von Paul Hoecker hingegen finden sich sowohl biblische Themen als auch Halbakte. Ihm wurde 1897 vorgeworfen, einen Strichjungen, mit dem er auch privat in Kontakt gestanden haben soll, als Modell für ein Madonnenbild genommen zu haben. Aufgrund dieses Skandals verließ Hoecker dann die Münchner Kunstakademie und begab sich nach Italien.&nbsp;Bekannt ist Hoeckers Portrait von <a href="https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Paul_Hoecker-Nino-1904-Jugend.jpg">Nino Cesarini</a>. Das weiße Tuch in Voigts Gemälde könne auch, so die heutigen Eigentümer des Gemäldes, als Zitat dieses Halbakts von Paul Hoecker gesehen werden. Sie meinen, bei dem Bild „Die Jünglinge” könne es sich um dasselbe Gemälde handeln, das 1906 mit der laufenden Nummer 45 unter dem Titel „Halbakt“ in der großen „Scholle-Ausstellung“ in der Wiener Secession zu sehen war.Zuletzt brachte die Kunsthistorikerin Ellen Mey 2017 noch ein weiteres Bild, „Ruhender Knabe“, das 1924 im Lagerbuch der Münchner Galerie Heinemann aufgeführt wurde, mit dem vorliegenden Bild in Verbindung (Mey, S. 52).Das Besondere an dem Gemälde „Die Jünglinge” ist, dass der Titel hier allenfalls ein deskriptives Hilfsmittel ist, denn anders als sonst, hat Voigt dieses Gemälde nicht eigenhändig auf der Rückseite betitelt. Auch ist der Halbakt im Oeuvre von Voigt nur aus Bildtiteln bislang nicht wiedergefundener Werke bekannt.Die oben angeführten Einordnungen des Gemäldes konzentrieren sich jeweils auf eine Bildfigur im Titel („Der junge Tobias”, „Halbakt”, „Ruhender Knabe”), wogegen das Gemälde recht deutlich zwei interagierende Bildfiguren zeigt, den schlafenden und den wachenden Jüngling.Das Gemälde war immer in Familienbesitz und fand sich Ende der 1970er „leicht verstaubt unter dem altmodischen Doppelbett der Großeltern“ wieder. Es war offenbar nicht unumstritten und wurde als unziemlich empfunden: jedenfalls, so die Mutter des heutigen Besitzers, ‘solle dieses Bild nicht gezeigt werden‘. 2009 wurde es aufwändig restauriert.&nbsp;Es stellt eine Ausnahme im Oeuvre von Voigt dar.&nbsp;FußnoteWalther von der Vogelweide, Erster Spruch (Reichsklage), Auszug, zitiert nach: https://de.wikipedia.org/wiki/Reichston"Ich saß auf einem Steine und deckte Bein mit Beine, darauf der Ellenbogen stand; es schmiegte sich in meine Hand das Kinn und eine Wange. Da dachte ich sorglich lange, dem Weltlauf nach und irdischem Heil;"

Das Bild „Die Jünglinge“ nimmt in Voigts Werk eine Sonderstellung ein. Ist es möglicherweise ein gemalter Kommentar zum Hoecker Skandal? 

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Die Jünglinge

Künstler

Franz Wilhelm Voigt

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