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Nach ihrer Abschiedsvorstellung lag Claire Watson nachts um halb eins in ihrem Garten im Liegestuhl. „Ich sah in die Sterne und dachte plötzlich: wie schön, daß ich mich nun nicht mehr der Nachtluft wegen um meine Stimme sorgen muß.“

Musik

„Claire Watson – eine ursprünglich große Lirica-Stimme mit Expansiv-Optionen – lieblich-fraulich in der Ausstrahlung, jugendlich-adlig im Tongepräge, nobel-distinguiert in Auftritt und Darstellung, mit allen Anlagen für die Position einer Grande-Dame begabt. Sie wirkte 21 Spielzeiten lang als die „Donna maliosa“ der Bayerischen Staatsoper, so souverän wie bezaubernd-bezwingend in Partien rein lyrischer wie charakteristischer wie jugendlich-dramatischer Prägung, von Barock bis Moderne. Eine, wenn nicht gar die erste Lady der Münchner Opernszene.“ (Klaus Ulrich Spiegel)

Am 3. Februar 1924 – manchmal wird als Geburtsjahr auch 1927 angegeben – erblickt Claire McLamore in New York City das Licht der Welt. Nur kurze Zeit zuvor hatten ihr Vater Thomas McLamore (geb. 1889) und ihre Mutter Marian Floyd Whitman ihre Heimatstadt Caddo in Louisiana verlassen, um sich in New York ein neues Leben aufzubauen. In rascher Folge werden nach Claire auch die beiden Söhne James W. (geb. 1927) und David M. (geb.1929) geboren. Später zieht es die Familie weg aus der Großstadt auf das Land, wo Thomas McLamore eine Farm in Orange County im Staate New York pachtet.Von ihrem 13. Lebensjahr an besucht Claire die High School, nach deren Abschluss sie auf die Eastman School of Music im nahen Rochester, eine der führenden Musikhochschulen der Welt, wechselt.

<h5>Ehe, Kinder, Gesangsausbildung</h5>Claire McLamore wagt am 10. Oktober 1942 im Alter von 18 Jahren den Sprung in die Ehe ungewöhnlich früh. Ihrem musikalischen Kompass folgend fällt ihre Wahl auf einen Musikerkollegen, den Pianisten und Komponisten Michael Lasell Watson (1918 – 2012), der 1941 seinen Studienabschluss in Harvard abgelegt hatte.<figure class="image"><img src="/uploads/Watson_1_web_0ce559b4b8.jpg"><figcaption>Claire Watson, © Opernhaus Graz GmbH-Archiv</figcaption></figure>Michael ist das Kind sehr reicher Eltern. Beide Großelternpaare machten ein Vermögen mit den Telegraphen der Western Union. In schneller Abfolge kommen Claires und Michaels Kinder David Manning, Diana Emily und Michael Lasell jr. auf die Welt.&nbsp;In dieser anstrengenden Phase nimmt Michael sen. sein Zweitstudium der Biophysik an der Universität in Rochester auf, wo er auch 1950 promoviert wird. Gleichzeitig beendet Claire ihr Studium in Rochester und lässt sich ab 1948 in New York von der berühmten Sopranistin Elisabeth Schumann (1888 – 1952) ausbilden, sowie von dem russisch-stämmigen Pianisten und Komponisten Sergius Kagen (1909 - 1964), der zudem Gesang lehrt.<h5>Sprung nach Europa</h5>Mit einem Austauschprogramm bietet sich Claire die Möglichkeit, sich am Konservatorium in Amsterdam bei Eduard Lichtenstein zu profilieren. Ihr Weg führt sie von dort weiter nach Wien zu dem weltbekannten Dirigenten Otto Klemperer, der mit ihr einige Partien einstudiert.&nbsp;<h5>Ab 1951 - Graz</h5>Am 15. September 1951 schließlich gibt sie erfolgreich ihr Bühnendebüt am Grazer Opernhaus in Verdis „Othello“ als Desdemona - der berüchtigte Sprung ins kalte Wasser, trotz einiger Risiken und Improvisationszwang ein großer Erfolg. <a class="mention" data-mention="#Bühnendebüt in Graz" href="buehnendebuet-in-graz" data-type="story" data-id="55" data-slug="buehnendebuet-in-graz" data-text="Bühnendebüt in Graz" data-cover="/uploads/Watson_Claire_Oper_Graz_web_4fb54b6ed4.jpg" data-description="Völlig überraschend und ungeplant eröffnet sich für Claire die Chance zum Bühnendebüt am Grazer Opernhaus, nämlich in Verdis „Othello“ als Desdemona am 15. September 1951. " data-inline="false">#Bühnendebüt in Graz</a>&nbsp;In Graz bleibt sie anschließend einige Jahre.<h5>Kurze Rückkehr nach Amerika und Trennung</h5>Ihr rasanter Aufstieg im Europa der Nachkriegszeit aber wird jäh gebremst durch ihren Ehemann, der die lange Abwesenheit der Ehefrau und Mutter nicht länger hinnehmen will. Auf sein unmissverständliches Drängen hin kehrt sie nach Rochester zurück und bringt später das vierte Kind, ihre Tochter Bronwyn, zur Welt.Während der folgenden Jahre ruht ihre künstlerische Tätigkeit nahezu komplett. Denn nur gelegentliche Auftritte ermöglichen ihr eine Weiterentwicklung. Wohl aus diesem Grunde trifft sie eine für damaligen Verhältnisse folgenschwere und ungewöhnliche Entscheidung.&nbsp;Mit Anfang 30 verlässt sie ihren Mann und die drei älteren, noch halbwüchsigen, Kinder zugunsten einer sängerischen Berufslaufbahn in Europa.&nbsp;<h5>1956&nbsp;</h5>Claire macht sie sich auf den Weg nach Deutschland. Nur ihre jüngste Tochter Bronwyn nimmt sie mit.

<h5>Erste Station in Deutschland - Opernhaus Frankfurt am Main</h5>Ihr Mentor Otto Klemperer empfiehlt Claire an das Opernhaus in Frankfurt am Main.&nbsp;Dort erhält sie eine Festanstellung und feiert, gefördert durch die Zusammenarbeit mit dem früheren Münchner Musikdirektor Georg Solti als Mitglied des berühmten Solti-Buckwitz-Ensembles, erste große Erfolge. Solti stellt sie in großen Lirica-Partien heraus und spielt sie zudem in ersten Radioaufnahmen ein.&nbsp;In Frankfurt lernt Claire auch ihren späteren zweiten Ehemann, den am Gärtnerplatz-Theater in München engagierten US-amerikanischen Tenor David Thaw kennen, der häufiger in Frankfurt gastiert.&nbsp;<figure class="image"><img src="/uploads/Watson_Claire_Alte_Oper_Frankfurt_web_5028e7a0f7.jpg"><figcaption>Alte Oper Frankfurt, © K35 shutterstock.com</figcaption></figure><h5>Ab 1957 - Bayerische Staatsoper München</h5>Bereits in der Spielzeit 1957/58 wechselt Claire an die Bayerische Staatsoper München und brilliert bei der Neueröffnung des Cuvilliés-Theaters.&nbsp;Die Eröffnungsvorstellung am 14. Juni 1958 bereichert sie mit der Rolle der Gräfin Almaviva in Mozarts „Hochzeit des Figaro“ unter Ferenc Friscay in der Inszenierung von Rudolf Hartmann. Bereits bei dieser Premiere wird Claire Watson als Idealbesetzung der Gräfin betrachtet. Ihre Darbietung wird europaweit funkübertragen und sichert ihr fortan einen Platz in der internationalen Prominenz.&nbsp;Rudolf Hartmann erinnert sich 1986 in der Süddeutschen Zeitung an das erste Aufeinandertreffen: „Mit einer ans Vorsingen gewöhnten Selbstverständlichkeit kam sie, sang und gefiel als Gräfin und blieb dann überhaupt in München.“&nbsp;<a href="https://youtu.be/G2EXGNMq1d8">https://youtu.be/G2EXGNMq1d8</a>&nbsp;Als 1963 das Münchner Nationaltheater spektakulär mit Wagners „Meistersingern“ unter Joseph Keilberth wiedereröffnet wird, begeistert Claire als Eva. „Mittlerweile ist sie so gut wie vollständig germanisiert, spricht mühelos Deutsch, empfindet keinerlei Heimweh nach dem Land der angeblich unbegrenzten, für Opernsänger jedoch recht begrenzten Möglichkeiten und möchte vor allem in München bleiben.“, schreibt der Münchner Merkur 1963.&nbsp;In den fünf Jahren zwischen diesen beiden wichtigen Hauseröffnungen vollzog sich Claires Aufstieg zum internationalen Opernstar. Mit dazu beigetragen hatten glanzvolle Festspiele in Glyndebourne und London, wo sie die Marschallin in Richard Strauß´ „Rosenkavalier“ gab, eine Rolle, die wie kaum eine andere Claire Watsons Ruhm besiegeln sollte.<figure class="image"><img src="/uploads/Nationaltheater_Muenchen_aussen_shutterstock_738029305_web_fc759a2cbc.jpg"><figcaption>Nationaltheater München, © Oleg Proskurin / Shutterstock.com</figcaption></figure>

Mit David Thaw (19.06.1928 – 09.11.2006), Kammersänger am Gärtnerplatztheater in München, geht Claire am 28. Dezember 1959 ihre zweite Ehe ein. David entstammt einer bekannten New Yorker Millionärsfamilie. Sein Großvater väterlicherseits, William Thaw, erwarb Millionen &nbsp;im Eisenbahn- und Dampfschifffahrtsgeschäft. Dessen Sohn Lawrence Copley Thaw, Davids Vater, baute das Vermögen als Investmentbanker und Broker aus.&nbsp;Nach ihrer Heirat behält Claire ihren durch die erste Ehe erworbenen Familiennamen „Watson“ als Künstlernamen bei. Claires und Davids gemeinsamer Sohn Thomas, Tommy genannt, kommt am 4. Februar 1961 auf die Welt.<figure class="image"><img src="/uploads/thawwatsongristsmall_6fe8e78e60.jpg"><figcaption>Reri Grist, David Thaw, Claire Watson, undatiert, Quelle: www.historicaltenors.net</figcaption></figure>&nbsp;Bereits 1958 hatte Claire das ehemalige Winterhaus des Malers und Professors Adolf Münzer in der Künstlerkolonie Holzhausen als Wochenend- und Feriendomizil erworben, in das sie zunächst mit ihrer Tochter Bronwyn einzog und das mehr und mehr zum geschätzten Zweitwohnsitz der Familie wird. <a class="mention" data-mention="#Leben in Holzhausen" href="leben-in-holzhausen" data-type="story" data-id="56" data-slug="leben-in-holzhausen" data-text="Leben in Holzhausen" data-cover="/uploads/Claire_Watson_Foto_Haus_9aad0e3815.jpeg" data-description="„Wiewohl Claire Watsons zweiter Mann, der Tenorkollege David Thaw, 300 Meter von ihrer Geburtsstätte entfernt das Licht der Wolkenkratzer erblickte, lernte sie ihn erst als Tatjana in einer Frankfurter Eugen-Onegin-Aufführung kennen, in der er den Lenski sang“, berichtet der Münchner Merkur 1963." data-inline="false">#Leben in Holzhausen</a>&nbsp;

<h5>Der Königin von England zu Gehör</h5>Als besonderes Highlight darf Claire Watsons Mitwirkung als Marschallin im „Rosenkavalier“ im Nationaltheater unter Generalmusikdirektor Joseph Keilberth am 21. Mai 1965 gesehen werden, als die englische Königin Elizabeth II anlässlich ihres Staatsbesuches in München dieser Festaufführung beiwohnt und entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit bis zum Schluss bleibt.<figure class="audio" contenteditable="true"><audio controls="controls" controlslist="nodownload noplaybackrate" alt="" src="/uploads/Clair_Watson_2_d5419bb033.mp3">&nbsp;</audio><figcaption></figcaption></figure><h5>Glanzlichter</h5>Von nun an feiert Claire viele Erfolge, so zwischen 1966 und 1968 bei den Salzburger Festspielen als Gräfin in „Die Hochzeit des Figaro“, sowie seit 1969 bei zahlreichen Gastspielen in ihrer amerikanischen Heimat.&nbsp;Bei glanzvollen interkontinentalen Auftritten erweitert &nbsp;sie ebenso wie im Studio ihr fachüberschreitendes Rollenspektrum, so etwa als Helena in Christoph Willibald Glucks „Paris und Helena“, als Leonore in Ludwig van Beethovens „Fidelio“, als Agathe in Carl Maria von Webers „Freischütz“, als Desdemona in Verdis „Othello“ &nbsp;und als Tatjana in Tschaikovskys „Eugen Onegin“.&nbsp;<figure class="image"><img src="/uploads/Watson_5_web_ef490c8b5a.jpg"><figcaption>Claire Watson, © Opernhaus Graz GmbH-Archiv</figcaption></figure>Neben dem lyrischen Fach singt sie auch häufig Wagner, so die Elsa im &nbsp;„Lohengrin“ unter Böhm, die Eva in den „Meistersingern“ unter Keilberth, die Sieglinde in der „Walküre“, sowie die Gutrune in der „Götterdämmerung“ und die Freia in „Rheingold“ unter Solti und die Elisabeth in „Thannhäuser“ unter verschiedenen Dirigenten.Während ihrer Zeit an der Bayerischen Staatsoper gastiert sie wiederholt an der Wiener Staatsoper, wie zahlreiche Auftritte zeigen.Zwischen 1960 und 1978 zählt Claire Watson zu den gefragtesten Vertreterinnen ihres Gesangs- und Rollenfachs weltweit. Dabei imponiert sie nicht nur als grandiose Sängerin, sondern ebenso als einfühlsame Schauspielerin.Aber auch im Konzertsaal beeindruckt sie z. B. mit Partien von Händel, Purcell, Mahler und Elgar.

In ihrer Paraderolle als Marschallin im „Rosenkavalier“ gibt Claire 1976 schließlich mit 52 Jahren ganz unspektakulär ihre Abschiedsvorstellung in München.&nbsp;Nach ihrem Rückzug bleibt sie anfangs noch im Konzertsaal und im Rundfunk aktiv, dann aber scheidet sie schrittweise aus dem Musikleben aus. Nach wie vor jedoch sieht man sie noch oft als Besucherin diverser Vorstellungen im Nationaltheater.&nbsp;Es bleiben ihr nur noch wenige Jahre für Hobbys und private Vorlieben. Nach kurzer schwerer Krankheit stirbt Claire Watson am 16. Juli 1986, im Alter von 62 Jahren, und wird auf dem Friedhof ihres Wohnortes Holzhausen beigesetzt. <a class="mention" data-mention="#Abgesang" href="abgesang" data-type="story" data-id="57" data-slug="abgesang" data-text="Abgesang" data-cover="/uploads/Watson_Claire_Grabstaette_a1665f6e0d.jpg" data-description="1976, nach ihrem Rückzug von der Bühne im Alter von 52 Jahren, zieht der gefeierte Opernstar Claire Watson, alias die „Marschallin“, erleichtert Bilanz." data-inline="false">#Abgesang</a>&nbsp;

Bortenlänger, Otto: Der 222. Othello, Neuinszenierung der Staatsoper - Gespräch mit Claire Watson, Münchner Merkur, Nr. 265, 05.11.1965.Eiswaldt, Edith: New Yorker ‘Gräfin’ lebt in Schwabing, Abendzeitung, 11.03.1968.Eriksson, Erik: Artist Biography [o. D.], in: ALLMUSIC, https://www.allmusic.com/artist/claire-watson-mn0002342500/biography [zuletzt abgerufen am 07.08.2021]Finkenzeller, Roswin: Für das “beste Publikum der Welt”, Münchner Merkur, Nr. 74, &nbsp;27.03.1963.Göhl, Hans: Mit einer wunderbaren Grandezza des Herzens. Die Sängerin Claire Watson starb in München, Münchner Merkur, Nr. 161, 17.07.1986.Hornung, Juliane: Um die Welt mit den Thaws. Eine Mediengeschichte der New Yorker High Society in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Wallstein Verlag 2020. Als digitale Publikation verfügbar unter: https://edit.gerda-henkel-stiftung.de/die-thaws/um-die-welt-mit-den-thaws/Innigkeit und Intelligenz. Zum Tod der Sopranistin Claire Watson, Süddeutsche Zeitung, Nr. 161, 17.07.1986.Kutsch, Karl-Josef / Riemens, Leo: Großes Sängerlexikon, Bd. 33, Bern / München 2000.Loder, Maria (Holzhausen), mündliche Aussagen.Nennecke, Charlotte: Unser Festspielporträt: Claire Watson, Süddeutsche Zeitung, Nr. 175, 31.07.1976.Marriage Certificate, Watson / McLamoreRiefer, Magda (Holzhausen), mündliche Aussagen.Schmidt, Helga: Watteau könnte sie gemalt haben. Zum Tode von Claire Watson, in: IBS aktuell, Zeitschrift des Interessenvereins des Bayerischen Staatsopernpublikums, Heft 5, 1986.Seifert, Jochen (Holzhausen), mündliche Aussagen.Spiegel, Klaus Ulrich: Claire Watson - First Lady der Münchner Opernszene [o. D.], in: ku-spiegel.de, https://www.ku-spiegel.de/portraits/r-bis-z/watson/ [zuletzt abgerufen am 07.08.2021]www.operissimo.comwww.archiv.wiener-staatsoper.at&nbsp;Tondokumente:„Le Nozze di Figaro“, Sull’ Aria, Aufführung 1966 bei den Salzburger Festspielen, Reri Grist &amp; Claire Watson, URL: &lt;https://www.youtube.com/watch?v=G2EXGNMq1d8&gt; (16.12..2021) Lohengrin, Aufführung vom 16.05.1965 in der Wiener Staatsoper unter Karl Böhm &nbsp;(Akt 2) Rosenkavalier, Aufführung vom 21.05.1965 im Nationaltheater unter Joseph Keilberth (1. Aufzug) Rosenkavalier, Aufführung vom 21.05.1965 im Nationaltheater unter Joseph Keilberth (2. Aufzug) &nbsp; &nbsp;&nbsp;

Claire Watson

Claire Watson

1924 - 1986

Vita

Weg ins Leben

Erste Ehe und musikalische Ausbildung

Beginn einer Karriere

Zweite Ehe

Ruhm und Ehre

Bühnenabschied und früher Tod

Literatur / Quellen (Auswahl)

Ihr Hinweis ist wertvoll