

Die Legende der Genoveva
Adolf Münzer, Waldquelle oder Genoveva, 1942, Öl auf Leinwand, 170 x 150 cm, Privatbesitz Zweimal setzte sich Adolf Münzer künstlerisch mit der Genoveva Legende auseinander. Die Sage handelt von einer Königstochter, die, als ihr Gatte, ein Adeliger namens Siegfried, auf einem Feldzug war, von dessen Stellvertreter zu Unrecht des Ehebruchs bezichtigt wurde, weil sie ihn abgewiesen hatte. Der Henker, der das Todesurteil an ihr vollstrecken sollte, brachte sie stattdessen in den tiefen Wald und überließ sie ihrem Schicksal. Eine erste Version aus dem Jahr 1932, die Mutter und Kind zwischen Bäumen sitzend und von Rotwild umringt darstellt, ist verschollen.Das Bildthema, das häufig unter dem Titel „Genoveva in der Waldeinsamkeit“ auftritt, hat Münzer in der zehn Jahre später entstandenen zweiten Version insofern abgewandelt, als er Genoveva nicht mit ihrem Sohn darstellt, sondern sie in der Bildmitte als Akt in den Mittelpunkt einer Landschaftsdarstellung zeigt. Verführerisch als Dreiviertelfigur, einem heimlichen Beobachter zugewandt, sitzt sie auf einem aus Naturstein gebildeten Brunnenrand, dem eine Quelle entspringt. Flankiert wird die Schöne von zwei Hirschen und einem Eichhörnchen.Die Hirschkuh ist Teil der Legende. So soll die Gottesmutter selbst diese Gestalt angenommen haben, um Genoveva und ihren eben erst geborenen Sohn während der sechsjährigen Verbannung in einer Höhle inmitten des Waldes zu versorgen. Die überströmende Quelle ergießt sich in einen Bachlauf, der den Vordergrund teilt. Der Hintergrund wird durch die umgebenden Bäume mit ihrem dichten Blättergrün gebildet.Münzer Münzer verwandelt hier eine Mutter-Kind Szene, also eine Art Madonnenszene, in ein Motiv mit eher voyeurhaftem Zug. Die begehrlichen Blicken ausgesetzte Frau lässt auch an den biblischen Stoff der Susanna im Bade oder an den Mythos der griechischen Göttin Diana, die von dem Jäger Aktäon (oder Aktaion) unbeabsichtigt badend beobachtet wird, denken. Ihn ereilt ein schreckliches Schicksal, lässt die jungfräuliche Jagdgöttin Aktäon doch in einen Hirsch verwandeln und von den eigenen Hunden zerfleischen. Die Legende der Genoveva hingegen nimmt ein gutes Ende.Nach seiner Rückkehr lässt Pfalzgraf Siegfried, der von der Unschuld Genovevas überzeugt ist, den Verleumder hinrichten und zum Dank für die Errettung von Frau und Kind an Stelle der Höhle eine Marienkapelle erbauen. Die mündlich tradierte Sage der Genoveva von Brabant, die im Mittelalter regional als Heilige verehrt wurde, ist erstmals im 13. Jahrhundert im Kloster Maria Laach niedergeschrieben worden.Teilen